Über dieses Buch
Jacques Derridas Theorem der „Hostipitality“ ersetzt die bedingungslose und uneingeschränkte Gastfreundschaft, wie sie in Immanuel Kants Schriften vorkommt, durch einen Umgang mit dem Anderen/Fremden, der sowohl Hospitality (Gastfreundschaft) als auch Hostility (Feindschaft) vereint. Derridas Neologismus lädt dazu ein, die Zusammenhänge zwischen diesen beiden affekt-basierten Reaktionen in der Begegnung mit dem Anderen/Fremden auszuloten. Im zeitgenössischen europäischen Film geschieht dies besonders in Hinblick auf die Darstellung von Personen, die Flucht, Migration oder Asyl erleben, sowie auf die gesellschaftliche Verantwortung der „Gast-Länder“, die sich daraus ergibt. Im vorliegenden Beitrag möchte ich 1) Derridas Theorem und die daraus resultierenden Fragestellungen vorstellen; 2) die Darstellung von Hostipitality im zeitgenössischen europäischen Film besprechen und 3) anhand des österreichischen Films Boat People (2016) aufzeigen, wie der Film die inhärente Ambivalenz der Hostipitality darstellen und als ästhetische Erfahrung eines Konflikts zwischen der Hospitality einzelner Personen und der Hostility nationaler Gesetzgebungen die Herausforderung eines uneingeschränkt gastfreundlichen Umgangs erfahrbar machen kann.

